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22.07.2019

Precision Farming mit Satellit oder Sensor?

Seit der Verfügbarkeit von Sentinel-2 Satellitenbildern, sind Angebote für die Nutzung dieser Daten wie Pilze aus dem Boden geschossen. Vom Start-Up bis zum internationalen Konzern ringen derzeit alle um die Gunst der Landwirte. In diversen Marketingaussagen wird potentiellen Kunden suggeriert, man könne mit den kostengünstigen (zumeist kostenlosen) Werkzeugen Erträge steigern sowie Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsparen. Zudem seien diese kinderleicht zu bedienen. Damit stellt sich nun die Frage: Ist das wirklich so? Und welche Daseinsberechtigung haben Sensoren am oder auf dem Traktor bzw. der Maschine noch?

Fakt ist: Precision Farming benötigt möglichste genaue Informationsquellen als Ausgangspunkt für die Automatisierung von Produktionsprozessen. Die Eignung einer Informationsquelle sollte daher immer nach bestimmten Kriterien überprüft werden. Dies sind unter anderem Fragen nach 

  • dem Messwert,
  • der Messgüte und Genauigkeit,
  • der Wiederholbarkeit und Verlässlichkeit,
  • der Praktikabilität und Ergonomie des Verfahrens und 
  • der Kosten-Nutzenanalyse

Egal ob Sensor oder Satellit - jede Datenquelle hat sich an diesen Punkten bemessen zu lassen. Wir möchten dies am Beispiel einer teilflächenspezifischen Stickstoff-Düngung tun und gehen dabei näher auf die Unterschiede der beiden Informationssysteme eingehen. Da die Erstellung von Streukarten mittels Satellitenbildern im Wesentlichen immer nach den gleichen Prinzipien verläuft, nutzen wir stellvertretend für die zahlreichen Angebote die Produkte "atfarm" von Yara und "CropView" von 365 FarmNet. Anhand desselben Feldes können wir verdeutlichen, wie unterschiedlich die Systeme arbeiten. 

 

Der richtige Messwert

N-Sensor®Satellitenbilder
MessverfahrenReflexion von spektralen BändernReflexion von spektralen Bändern
Abgeleiteter MesswertAbsolute Indizes mit Kalibrierung auf die absolute N-Aufnahme in kg N/haRelative Indizes ohne Kalibrierung auf die absolute N-Aufnahme („mehr oder weniger“)


Beide Verfahren messen spektrale Informationen von Pflanzenbeständen. Der N-Sensor® greift dabei auf zwei definierte Wellenlängen zurück. Aus diesen lässt sich anschließend die exakte und absolute N-Aufnahme eines Pflanzenbestandes ableiten.

Bei den Daten der Satellitenbildanbieter handelt es sich hingegen durchgängig um relative Indizes, welche entsprechend nur ein „mehr“ oder „weniger“ darstellen. Ein direkter Bezug zur aktuellen N-Aufnahme der Pflanzen ist nicht möglich.

 

Praxisbeispiel: CropView (365 FarmNet)

Bei der Darstellung der Daten gibt es keine Zahlen, welche die „Vegetation“ definieren. Der Anwender ist selbst in der Pflicht, das „viel“ und „wenig“ einzuschätzen und daran seine N-Düngung auszurichten.

Der verwendete Index zur Bestimmung der Vegetationsunterschiede ist nach aktueller Kenntnis der dimensionslose normierte, differenzierte Vegetationsindex (NDVI). Strukturen sind in der Karte kaum zu erkennen.

Problematisch ist dabei, dass der verwendete NDVI bei 40 kg N-Aufnahme/ha (Getreide zu EC 30/31, Raps in EC 16-18) in eine sogenannte Sättigung hineinläuft. Dies bedeutet, dass alle Messungen oberhalb dieser N-Aufnahme technisch nicht eindeutig differenzierbar sind . Die gemessenen Differenzen sind demnach rein zufällig und werden nur über das "Aufziehen" des Maßstabes visualisiert.

Praxisbeispiel: atfarm (Yara Digital)

Bei den angebotenen Indizes werden ebenfalls keine absoluten Zahlen kommuniziert. Die Namen (im Beispiel „N-Sensor Ansicht“) dafür sind aus Sicht des Marketings geschickt gewählt, suggerieren sie doch einen direkten Bezug zur YARA-Sensortechnologie.

Im Vergleich zur Sensortechnologie ist beim Satellitenbild aber nicht bekannt, wie hoch die mittlere N-Aufnahme ist und somit auch keine direkte Ableitung der optimalen N-Düngung möglich. Denn bei einer N-Aufnahme von 160 kg/ha im Raps müsste nicht gedüngt werden, bei 100 kg/ha wären allerdings rund 60 kg nötig. Diese entscheidende Information erhält der Anwender nicht.

Es ist auch nicht bekannt, ob die Farbabstufungen 5, 10 oder vielleicht 20 kg N/ha darstellen. Strukturen oder Teilflächen sind in der Karte kaum zu erkennen.

Praxisbeispiel: agriPORT (Agricon)

Bei den Daten des N-Sensors® wird immer die zum Zeitpunkt der Überfahrt gemessene N-Aufnahme des Bestandes ausgewiesen. So ist eine absolute und objektive Beurteilung des Pflanzenbestandes möglich.

Im Vergleich zu den Satellitenbildern wird mit dem Maschinen-gebundenen N-Sensor® eine deutlich höhere Auflösung erreicht, welche Strukturen und Teilflächen wesentlich besser abbildet.

Messgüte, Genauigkeit und Verlässlichkeit

Der N-Sensor® als maschinengebundenes System misst die Reflexion des Pflanzenbestandes aus einer Entfernung von ca. 4 bis 7 m. Abgesehen von Raureif im Februar/März oder eventueller Staubentwicklung unter trockenen Bedingungen (wo eine N-Düngung ohnehin wenig sinnvoll ist) gibt es keine Störgrößen, welche das Sensorsignal verfälschen können.

Satellitenbilder werden aus einer Höhe von über 750.000 m (!) aufgenommen. Dazwischen befindet sich die komplette Erdatmosphäre. Alle in ihr enthaltenen Partikel (Staub, Wasserdampf, Aerosole etc.) befinden sich also in ständig wechselnden Anteilen zwischen dem Messgerät und den Pflanzen.

N-Sensor®Satellitenbilder
WetterunabhängigkeitJaNein
VerfügbarkeitImmerNur bei wolkenlosen Himmel während des Überfluges und wolkenschattenfreien Feldern
Alter der MessungEchtzeitTage, Wochen, z.T. Monate (je nach Bewölkung)


Zudem spielen Wolken und ihre Schatten auf der Erdoberfläche bei den Satellitenbildern eine große Rolle, können diese doch die Interpretation der Bilder maßgeblich stören, bzw. den Gebrauch der Bilder völlig unmöglich machen.

 

 

Praxisbeispiel: Wolken und -schatten

Obwohl die Wolke selbst nur einen Teil der Felder verdeckt, sind auch jene Schläge bzw. Teilflächen nicht verwertbar, auf denen Wolkenschatten liegt. Somit sind ca. 40% bis 50% des Gesamtausschnittes für die Berechnung einer N-Streukarte nicht verwendbar.

Praxisbeispiel: Verfügbarkeit von Daten

Oftmals sind während der Vegetationszeit keine brauchbaren Daten von Sentinel-2 verfügbar. So war im dargestellten Beispiel aufgrund der Bewölkung in der Zeit vom 27. April bis 14. Mai 2019 keines der Satellitenbilder verwendbar. Variable N-Düngung war also nur eingeschränkt bzw. nur nach veralteten Daten möglich.

Praxisbeispiel: Fehlerhafte Streukarte

Trotz Bewölkung hat der Nutzer die Möglichkeit, Bilder für die Düngung zu verwenden. Wäre zum Beispiel das Bild vom 2. Mai 2019 für die Berechnung einer Streukarte herangezogen worden, hätte der Landwirt mit deutlichen Fehlern in der Bemessung der N-Düngermenge rechnen müssen. Insbesondere in den Bereichen, wo Wolken auf dem Feld liegen, kommt es eindeutig zu einer Überdüngung aufgrund des zu niedrig ausgewiesenen Messindex.

Messgüte und Verlässlichkeit

Die Messgüte und Verlässlichkeit von Satellitenbildern ist im Vergleich zu der von maschinengebundenen Sensoren demnach schlechter, da sie wesentlich mehr Störgrößen ausgesetzt ist.

Räumliche AuflösungN-Sensor®Satellitenbilder
Messwerte je ha12525
Lagegenauigkeit+/- 0,1 ... 0,3 m+/- 11 m (in hügeligem Gelände auch mehr)


Die Messungen des N-Sensors® haben eine fünffach höhere räumliche Auflösung als ein Satellitenbild. Satellitenbilder haben eine mittlere Lageungenauigkeit von +/- 11 m. Jede „Bildkachel“ ist 20 mal 20 m groß und enthält nur eine Information. Die Lage der Bildkachel kann sich in alle Richtungen um jeweils 11 m zur Realität verschieben. Somit können kleinräumige Unterschiede kaum noch sicher erfasst werden.

 

Schlechte Georeferenzierung: zur nordwestlichen Seite wird an der Schlaggrenze vorhandene Biomasse dargestellt, die in der Realität nicht vorhanden ist. Tatsächlich liegt dort ein Feldweg, folglich auch kein nennenswerter Bewuchs. Die angegebene Biomasse ist vom benachbarten Schlag, der erst nach dem Feldweg kommt. Damit hat wahrscheinlich die gesamte Karte einen Versatz von 10 (?) Metern.

Das Problem der Lageungenauigkeit und Randeffekt macht sich, unabhängig vom Lagefehler im Feld, natürlich bei kleineren Felder stärker bemerkbar als bei großen Feldern.

Praktikabilität und Ergonomie

Aufgrund der nicht vorhandenen absoluten Messwerte können keine absoluten agronomischen Regelfunktionen eingesetzt werden. Dabei liegen hier die größten und wichtigsten Entscheidungen, die der Anwender treffen muss:

Entscheidung 1: Nach welchem Prinzip möchte ich düngen?

  • Robin Hood-Funktion (nimm den Reichen und gib den Armen) oder
  • King John-Funktion (nimm den Armen und gib den Reichen)

Entscheidung 2: Wie ist die Steigung der Regelfunktion?

  • Wie stark möchte ich mit meiner N-Düngung auf Unterschiede in der Karte reagieren?

Fast alle Anbieter lassen den Landwirten positiv ausgedrückt freie Hand in der Beantwortung dieser beiden Fragen. Nüchtern betrachtet werden die Landwirte aber aufgrund fehlender Empfehlungen der meisten Anbieter mit den Entscheidungen allein gelassen. Sie haben zudem kaum eine Möglichkeit, die einmal getroffenen Entscheidungen auf deren Richtigkeit zu prüfen.

Der Landwirt muss das absolute Düngungsniveau also selbst festlegen. Dabei setzt er in der Regel auf seine Erfahrungswerte und „das Auge des Herrn“. Um die Genauigkeit zu erhöhen, könnte man mehrere Biomasseschnitte im Raps bzw. mehrere Messungen mit dem N-Tester im Getreide vornehmen. Abgesehen vom praktischen Aufwand müssten die Daten am Rechner dann aber noch der entsprechenden Kachel im Satellitenbild zugewiesen werden. Momentan ist das kaum vorstellbar.

Daher besteht immer die Gefahr, dass...

  • die Wahl der Regelfunktion,
  • das absolute Düngungsniveau sowie
  • die Variation der N-Menge

grundlegend mit Fehlern behaftet ist.


Ergonomie

Der Betriebsleiter oder Agronom muss während der Hochsaison verhältnismäßig viel Büroarbeit leisten. Bei Verwendung Satellitenbildern müssen folgende Schritte für jedes Feld gegangen werden:

  1. Kontrolle: sind aktuelle Bilder vorhanden?
  2. Wenn nicht: welche Bilder wähle ich alternativ aus?
  3. Wo liegt das Düngungsniveau?
  4. Festlegung von min und max kg N/ha
  5. Download der Streukarte
  6. Händischer Export jeder Streukarte auf einen USB-Stick
  7. Übergabe an Schlepper

Schauen wir uns das am Beispiel eines 1.000 ha-Betriebes mit 70% Getreide- und Rapsanteil im Anbau an: Bei einer mittleren Schlaggröße von 15 ha sind das ca. 50 Schläge. Also muss der Anwender im Winter 50 Streukarten für die erste Stickstoffgabe rechnen, im März/April noch einmal 50 für die zweite Stickstoff-Gabe und im Mai/Juni eventuell noch einmal 40 bis 70 Karten für die dritte und vierte Gabe im Getreide. Auf diese Weise kommen rund 140 bis 170 Streukarten zusammen, die nach oben benannten Schritten angefertigt werden müssen. Und das während der ohnehin schon arbeitsreichen Frühjahrssaison.

Bei unserem N-Düngungsverfahren mit N-Sensor® beschränkt sich die Büroarbeit im Wesentlichen auf zwei Dinge:

  1. Streukarten für die erste Stickstoffgabe auf Basis von N-Sensor®-Herbstscans erstellen. Dabei können alle Schläge mit einer Fruchtart gleichzeitig und nahezu automatisch berechnet werden.
  2. Auftragsmanagement: Daten via E-Mail an die Maschine senden, wo sie der Fahrer abrufen und sofort abarbeiten kann.

Diese Aufträge können optional für alle Gaben und alle Felder bereits im Vorfeld der Frühjahrssaison angefertigt werden und stellen somit keine Mehrbelastung für den Landwirt dar.

 

Kosten, Nutzen sowie nachgewiesene Effekte

Atfarm verlangt aktuell 8 €/ha aktive Fläche. Bei bereits benanntem 1.000 ha Betrieb mit 70% Getreide- und Rapsanteil im Anbau zahlt der Betrieb pro Jahr also 5.600 €. In zehn Jahren sind das rund 56.000 €.

Ein einsatzbereites System, bestehend aus N-Sensor® ALS 2 und Terminal, kostet fertig montiert 27.500 €. Es wird auf fünf Jahre abgeschrieben. Alle zwei Jahre sollte man einen Hardwarecheck zu 500 € durchführen lassen. Bei 3% Zinsen und zwei bis drei Checks innerhalb der AfA-Zeit enstehen jährliche Kosten in Höhe von etwa 5.700 €. In zehn Jahren ergeben sich daraus kumulativ 32.000 €.

Aber die Kostenseite ist nur zweitrangig. Die wirklich entscheidende Frage ist, was bekommt man dafür? Für den N-Sensor® sind die Vorteilswirkungen vielfach nachgewiesen. Dazu gehören N-Einsparungen bis 15%, Ertragssteigerungen um 5%, Verbesserung des Mähdrusches und der Qualität des Ernteproduktes und das Vermeiden von N-bedingtem Lager. Daraus ergeben sich Vorteile von durchschnittlich 100 €/ha und im Pflanzenschutz jeweils 45 €/ha bei der Ausbringung von Wachstumsreglern oder Fungiziden. Damit sind Investitionen in Sensortechnik hoch wirtschaftlich und ein return of investment meist schon nach einem Jahr gegeben.

Nach aktuellem Kenntnisstand gibt es bis heute noch keine großflächigen Versuche eines Anbieters von Satellitenbildern. Es wurde also noch keinerlei Nachweis erbracht, dass ein positiver Effekt durch die N-Düngung nach Satellitenaufnahmen eintritt.

 

Fazit

Die Nutzung von Satelliten-Bildern für die N-Düngung ist wahrscheinlich erst einmal besser als eine konstante Applikation. Allerdings stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht. Wichtigste Nachteile, dargestellt am Beispiel von atfarm gegenüber dem N-Sensor® sind:

  • Eingeschränkte Verfügbarkeit aufgrund Wolkenbedeckung und Wolkenschatten
  • Lageungenauigkeit der Kacheln
  • Eine um bis zu 33% geringere Auflösung
  • Keine Kalibrierung auf die absolute N-Aufnahme
  • Absolute Regelfunktionen sind nicht verfügbar bzw. anwendbar
  • Schlechtere Ergonomie bedeutet hoher zeitlicher Aufwand während der Saison
  • Bei größeren Betrieben höhere Kosten als ein N-Sensor®

Agricon hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit Satellitenbildern als mögliche Informationsquelle für Precision Farming beschäftigt. Aufgrund der bekannten Schwachstellen haben wir uns jedoch bewusst dagegen entschieden. Es war uns nicht möglich, positive Ertragseffekte analog zum N-Sensor® abzuleiten. Was nützt ein scheinbar "günstiges" digitales Werkzeug, wenn wir keinen positiven Effekt erhalten? Dann ist es besser keine Satellitenlösung anzubieten, als eine im Vergleich zur Sensortechnologie schlechtere Lösung.

 

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