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Mit Sensoren sparsam spritzen
Eric und Moritz Krull sind Ackerbauern mit Leib und Seele. Anfang Januar stehen sie bei Schneeregen und eisigem Wind auf dem Feld und inspizieren die Herbstsaat. In gut vier Monaten ist der Winterweizen im Entwicklungsstadium 32, der richtige Zeitpunkt für die erste Pilzbehandlung. Die wird allerdings anders ablaufen als bei den meisten Berufskollegen, nämlich variabel statt flächeneinheitlich.
Seit fast 20 Jahren bewirtschaften Krulls ihre Flächen nicht mehr nach dem Prinzip Gießkanne. Teilflächenspezifisch ist das Zauberwort. Ihr Werkzeug ist ein Pflanzensensor, der Yara N-Sensor. Zuerst haben sie damit beim Düngen gearbeitet, dann bei den Wachstumsreglern und seit nunmehr sechs Jahren auch im Pflanzenschutz mit Fungiziden. Gemeinsam mit Betrieben aus Großbritannien und Frankreich haben sie zudem an einem Feldversuch zur variablen Applikation teilgenommen.
„Am Ende geht es nicht immer nur um ein Zuviel, sondern genauso um ein Zuwenig. In der öffentlichen Diskussion um den chemischen Pflanzenschutz kommt das oft zu kurz“, sagt Eric Krull. Natürlich geht es ihm um den eigenen Unternehmenserfolg. Nicht weniger wichtig sind ihm aber Umweltschutz und Akzeptanz der Gesellschaft.
Das sind angesichts des Zulassungsstaus und der Umsatzrückgänge bei Pflanzenschutzprodukten auch die Themen, die Pflanzenschutzmittelhersteller antreiben, Versuche zu dieser Methode zu unterstützen. So sieht Dr. Helmut Schramm, Präsident des Industrieverbands Agrar (IVA), den chemischen Pflanzenschutz vor grundlegenden Veränderungen stehen: „Es wird schon bald selbstverständlich sein, dass digitale Werkzeuge bei der Entscheidung helfen, ob und wie ein Pflanzenschutzprodukt zum Einsatz kommt.“
Prof. Jens Karl Wegener, Leiter des Instituts für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz am Julius Kühn-Institut (JKI), schätzt das ähnlich ein: „Ich schließe nicht aus, dass es zukünftig digitale Anwendungen gibt, die in irgendeiner Form in der Zulassung Berücksichtigung finden und sich in den Anwendungsbestimmungen niederschlagen. Im Prinzip haben wir das ja schon bei den abdriftmindernden Düsen. Hier ist der Einsatz eines spezifischen Mittels an eine bestimmte Düsentechnik gebunden.“
Beim Unkraut hapert es noch
Die Branche arbeitet mit Hochdruck an digitalen Lösungen. „Das Ziel ist heute nicht mehr, Pflanzenschutzmittel möglichst gleichmäßig über die gesamte Zielfläche zu verteilen. Zukünftige Geräte unterstützen Anwender durch technische Assistenz, Vernetzung und Sensortechnik. So lassen sich Pflanzenschutzmittel einsparen, gezielter applizieren und Anwendungsbestimmungen automatisch einhalten“, sagt Wegener. Eines seiner Forschungsprojekte dreht sich auch um die spezifische Unkrautbekämpfung mittels Direkteinspeisung. Ziel ist es, nicht mehr das komplette Feld kurativ gegen einen Unkrautmix zu behandeln, sondern nur dort zu spritzen, wo Unkraut steht und das mit dem richtigen Mittel. „In der Praxis werden häufig Tankmischungen eingesetzt. Für die teilflächenspezifische Applikation einzelner Mittel braucht es deshalb eine Spritze mit Direkteinspeisung. Hier werden Mittel und Wasser in separaten Behältern mitgeführt, erst unmittelbar vor der Ausbringung gemischt und in Echtzeit dosiert“, so Wegener.
Zusammen mit dem Unternehmen Dammann präsentierte das JKI auf der letzten Agritechnica einen Prototyp einer solchen Feldspritze. Während die Spritztechnik bereits funktioniert, hapert es noch bei der Unkrauterkennung in Echtzeit. Gleich eine ganze Reihe von Forschungsteams sucht nach praxisnahen Lösungen. Aber zurück zu den Fungiziden und zum Alltag der Krulls in Mammendorf, einem kleinen Dorf vor den Toren Magdeburgs.
Auf den Punkt
- Eric Krull ist von der sensorgestützten Ausbringung von Flüssigdüngern, Wachstumsreglern und Fungiziden überzeugt.
- Die Betriebsmittel werden variabel, abhängig von der Biomassemenge, dosiert.
- Das sichert Erträge, reduziert den Einsatz von Dünger- und Pflanzenschutzmitteln, schont die Umwelt und spart Geld.
Ihr teilflächenspezifischer Pflanzenschutz basiert auf der Idee, dass kein Pflanzenbestand homogen wächst. Je nach Bodeneigenschaften und Wachstumsbedingungen variiert die Biomassemenge eines Weizenschlags kleinflächig um den Faktor sechs. „Zwischen den EC-Stadien 32 und 39, wenn uns Braunrost und Mehltau Probleme machen, schwankt die Biomasse zwischen 2 und 5 kg/m². Bringe ich überall die gleiche Menge an Fungizid aus, dosiere ich im Bereich der 5 kg/m² entweder unter oder im Bereich der 2 kg/m² über. Beides ist nicht gut. Die Überdosierung schadet der Umwelt und kostet unnötig Geld. Die Unterdosierung kann Ertrag kosten und Resistenzen verschärfen.“ Der Betriebsleiter bringt es auf den Punkt: „Mehr Biomasse, größere Spritzfläche – weniger Biomasse, kleinere Spritzfläche. Ein Erwachsener braucht doch auch eine höhere Dosis eines Medikaments als ein Kleinkind. Sonst wirkt es nicht oder nicht lang genug.“
So funktioniert der N-Sensor im Pflanzenschutz
Damit das Ganze funktioniert, braucht es ausgeklügelte Hard- und Software. Vater und Sohn holen den Massey Ferguson aus der Halle und hängen ihre Pflanzenschutzspritze an, eine Amazone UX 6200 mit 36 m Arbeitsbreite an. Auf dem Schlepperdach befindet sich eine graue Box, der N-Sensor. Er ist an das GPS-System des automatischen Lenksystems angeschlossen, um Daten für die spätere Dokumentation aufzeichnen zu können. Traktor, Anhängespritze, GPS-System und Sensor kommunizieren per ISOBUS miteinander.
Der Sensor nutzt einfache physikalische Effekte: Je nach Chlorophyllgehalt und Biomassemenge reflektiert ein Pflanzenbestand Licht unterschiedlich stark. Der N-Sensor misst das reflektierte Licht und errechnet daraus die bisherige N-Aufnahme der Pflanzen. Dieser Wert ist die Datengrundlage für die teilflächenspezifische Applikation, egal ob Flüssigdünger, Wachstumsregler oder Fungizid. Ist der Wert hoch, ist viel Chlorophyll also Biomasse vorhanden. Dann muss zu EC 32 die N-Menge reduziert werden, um Lager zu vermeiden. Die Menge an Wachstumsregler oder Fungizid muss dagegen erhöht werden, da die Spritzfläche größer ist. Über hinterlegte Regelkurven bestimmt der Rechner die benötigte Menge des Betriebsmittels in Echtzeit, übermittelt die Daten an die Spritze und appliziert.
Kein Zuviel mehr bei Wachstumsreglern
Während es Eric Krull bei den Fungiziden vor allem darum geht, in dichten Getreidebeständen nicht unterzudosieren, will er beim Einsatz von Wachstumsreglern möglichst nicht überdosieren. „Das haben wir früher leider gemacht. Wir wollten auf Nummer sicher gehen, damit nichts ins Lager geht. Heute weiß ich es besser. Ein Zuviel an Wachstumsregler kürzt die Wurzeln ein und kann bei Trockenheit den Ertrag schmälern. Langjährige eigene Versuche bestätigen, dass wir beim variablen Einsatz dieser Präparate in Summe immer die Aufwandmenge reduziert, gleichzeitig von Ertragszuwächsen profitiert haben und keine Probleme mehr mit Lagergetreide hatten. Im Schnitt der Jahre haben wir mit der variablen Ausbringung von Wachstumsreglern 40 Euro/ha mehr verdient.“
Die Feldspritze der Krulls verfügt über eine GPS-Einzeldüsenschaltung. In Kombination mit dem N-Sensor kommt sie aber nicht zum Einsatz, sodass in der Schlaglänge, nicht aber in der Breite teilflächenspezifisch gearbeitet wird.
Gesteuert wird das Technikensemble über ein Terminal in der Traktorkabine. Hier sitzt Moritz und arbeitet über die Software „Precision Farming Box – Fungizide“ Pflanzenschutzaufträge ab, die sein Vater online schickt. „Ich habe mich da reingefuchst. Für Aushilfen ist die Bedienung aber zu komplex“, sagt Krull Junior. Sein Vater bestätigt das. Er arbeitet im Büro mit dem Datenmanagement agriPORT, das mit Informationen zu Schlag, Mittel, Wasser- und Aufwandmenge gefüttert werden will. Eine bessere Kompatibilität mit seinen Ertragskarten wünscht sich Eric Krull dringend. Ansonsten überwiegen die Vorteile.
„Ich kaufe nur noch die Hälfte an Mitteln ein. Und ich habe mich komplett von reduzierten Aufwandmengen verabschiedet. Damit haben wir Landwirte uns die Resistenzen nämlich teilweise selbst gezüchtet, nicht weil wir insgesamt zu wenig, sondern in dichten Beständen teilweise unterdosiert haben. Bei massivem Krankheitsdruck ist die gleiche Wirkstoffmenge in dichten Beständen schneller verbraucht als in dünnen. Außerdem kostet mich jede Durchfahrt 11 bis 12 Euro/ha. Am Ende spare ich Geld“, sagt Landwirt Krull. Das untermauern auch Forschungsergebnisse, nach denen die sensorgestützte Fungizidapplikation in Winterweizen in Summe 33 Euro/ha einsparen soll – 12 Prozent weniger Fungizide und 1,7 Prozent mehr Ertrag bei vergleichbarem Krankheitsaufkommen.
Unterm Strich ist der N-Sensor ein Gewinn. „Die Technik ist mit etwa 20.000 Euro nicht umsonst und bedarf eines nicht zu unterschätzenden Know-hows und Supports, aber die Vorteile überwiegen. Wir sind im Pflanzenbau heute wesentlich effizienter und arbeiten nachhaltiger und umweltfreundlicher als früher“, sagt Eric Krull.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe der Agrarheute (3/2019) erschienen.
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