1. Die richtige N-Form: Entscheidend für den Erfolg der Düngung
Die Wahl der richtigen Stickstoffform ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für die N-Düngung und wird in ihrer Bedeutung oft unterschätzt. Unsere Auswertungen der letzten Jahre zeigen deutlich: Die N-Form entscheidet maßgeblich darüber, ob der ausgebrachte Stickstoff zum richtigen Zeitpunkt pflanzenverfügbar ist und damit seine volle Wirkung entfalten kann.
Im letzten Beratungsschreiben haben wir Ihnen erläutert, wie wichtig es ist, dass der Winterraps bis zum Spätherbst eine N-Aufnahme von 80-90 kg N/ha, bis zur N2 Ende März 160-180 kg N/ha und bis zur Vollblüte ca. 240 kg N/ha in der oberirdischen Biomasse gespeichert hat.
Für Wintergetreide gilt ähnliches. Bestände, die bis zum Schossbeginn weniger als 45 kg N/ha aufgenommen haben sind in höchstem Maße gefährdet bei Frühjahrs- und Vorsommertrockenheit. Pflanzen kommen nur mit geschlossen Bestandsdichten durch eine Frühjahrstrockenheit. Und das sind mindestens 45-50 kg N/ha N-Aufnahme. Jede Teilfläche, die darunterbleibt, wird nachhaltig in ihrer Ertragsfähigkeit geschädigt. Das Problem der Trockenheit wird gemäß unseren Umfragen bei den Seminaren von allen Betriebsleitern als Problem Nr. 1, noch vor den Einschränkungen der DVO, wahrgenommen.
Es stellt sich die Frage, warum gibt es zunehmend so viele schwach entwickelte Bestände?
Dieser Frage sind wir durch Auswertungen in agriPORT nachgegangen. Dazu ein repräsentatives Beispiel von vielen aus dem letzten Jahr. Sie sehen im Folgenden einen Betrieb aus Mecklenburg-Vorpommern. Zwei Felder, die direkt nebeneinander liegen, aber mit unterschiedlichen Düngungsstrategien zur N1 behandelt wurden.

Feld 1 war mit durchschnittlich 19 kg N/ha normal entwickelt und wurde mit 90 kg N/ha in Form von Alzon flüssig zur N1 konstant angedüngt. Alzon flüssig enthält 11% Amid-N, 9 % NH4-N und 5% NO3-N. Alzon flüssig ist mit einem Nitrifikationshemmer ausgestattet, der die Umwandlung von NH4 in NO3 zusätzlich um 6-8 Wochen verzögert.
Innerhalb von 37 Tagen konnte der Bestand von den applizierten 90 kg N/ha nur 18 kg N/ha aufnehmen. Das sind nur 20% der applizierten Menge! Das sind gerade mal 0,5 kg N/Tag Zuwachs an N-Aufnahme. Das ist viel zu wenig! Aufgrund des schwachen Wachstums wurde dann sehr zeitig eine N2 mit KAS nachgelegt.
Feld 2 war mit 8 kg N-Aufnahme je ha deutlich schwächer entwickelt, wurde auch erst gut 10 Tage später als Feld 1 mit durchschnittlich 70 kg N/ha mit KAS+S variabel gedüngt. KAS+S enthält 12% NO3-N und 12% NH4-N. Die korrekte Düngungsmenge hätte allerdings mit rund 85 kg N/ha etwas höher ausfallen müssen.
Innerhalb von nur 27 Tagen konnte der Bestand von den applizierten 70 kg N/ha 55 kg N/ha aufnehmen. Das sind 78% der applizierten N-Menge! Umgerechnet sind das rund 2 kg N/Tag Zuwachs an N-Aufnahme. Ob die sehr frühe N2 am 03.04. gerechtfertigt war, kann hier nicht beurteilt werden. Wahrscheinlich nicht.
Analysiert man anhand unserer Daten auf mehreren tausend Hektar den Zuwachs der N-Aufnahme in Abhängigkeit der gewählten N-Form, ist die Datenlage eindeutig: Nitratbetonte Andüngung führt zu einer wesentlich höheren Wachstums- und Bestockungsleistung als die Düngung mit amid- oder ammoniumhaltigen Düngemitteln. Einfache und doppelte Stabilisierung verschärft die Situation zusätzlich.
Wie lassen sich diese deutlich unterschiedlichen Reaktionen der Bestände erklären?
2. Unterschiede im Pflanzenwachstum in Abhängigkeit der N-Form
2.1. Je höher der NO3-N Anteil, desto höher die Bestockungsleistung.
Ein wichtiger Faktor bei der Andüngung im Frühjahr ist, dass NO3-N die Bildung des Pflanzenhormons Cytokinin fördert. Cytokinin ist der Hauptfaktor für die Bestockung und die Bildung der Ertragsanlagen. Die Unterschiede im Bestockungsverhalten in Abhängigkeit verschiedener N-Formen zeigt nachstehende Tabelle.
2.2. NO3-N Bereitstellung aus Harnstoff-N oder NH4-N bedarf gewisser Umwandlungsprozesse im Boden und hat limitierende Faktoren
Um die richtige N-Form zu wählen, ist es wichtig zu wissen, wie Stickstoff im Boden umgewandelt wird. Die Umwandlungskette ist: Harnstoff (Amid-N) → Ammonium (NH₄⁺) → Nitrat (NO₃⁻). Es gelten folgende Bedingungen:
(A) Harnstoff zu Ammonium:
- Benötigt das Enzym Urease
- Umwandlungszeit bei 5°C: ca. 1 Woche
- Bei Ureasehemmern: + 1-2 Wochen Verzögerung
(B) Ammonium zu Nitrat (Nitrifikation):
- Benötigt Sauerstoff
- Umwandlungszeit bei 5°C: ca. 6 Wochen
- Bei Nitrifikationshemmern: + 6-8 Wochen Verzögerung

Die Zeitangaben in der Grafik (B) beziehen sich auf 50% Umwandlung von NH4-N in NO3-N! Also bei 5 Grad Bodentemperatur werden 50% des NH4-N in NO3-N umgewandelt, nicht 100%! Dafür bedarf es aber der Verfügbarkeit von Sauerstoff. Siehe rote Umrahmungen!
Limitierende Faktoren im Frühjahr:
- Temperatur: Bei Bodentemperaturen unter 5°C laufen alle Umwandlungsprozesse extrem langsam ab.
- Sauerstoffverfügbarkeit: In wassergesättigten Böden fehlt der für die Nitrifikation notwendige Sauerstoff. Im Frühjahr haben die Böden meist 100% Feldkapazität, d.h. alle Mittelporen und engen Grobporen sind mit Wasser aufgefüllt, außer die weiten Grobporen.
- Lagerungsdichte: Eine in Tiefe und Intensität reduzierte Bodenbearbeitung („konservierend“) führt zuallererst zu einer deutlichen Abnahme der weiten Grobporen. Die weiten Grobporen sind für die Ableitung des Wassers in tiefere Bodenschichten nötig und enthalten Luft, also Sauerstoff. Nimmt der Anteil der weiten Grobporen ab, sinkt infolge dessen die Sauerstoffversorgung und somit verringert sich zusätzlich die Leistung der Umwandlung von Ammonium-N in Nitrat-N.
Diese drei Faktoren zusammen führen dazu, dass ammonium- und amidhaltige Dünger im zeitigen Frühjahr nicht rechtzeitig in pflanzenverfügbares Nitrat umgewandelt werden können. Ein- oder zweifach stabilisierte N-Formen verlängern die Umwandlungszeiten zusätzlich und verschärfen das ohnehin schon große Problem.
Die Konsequenz:
Trotz hoher N-Düngung wachsen die Bestände nicht los, weil der Stickstoff nicht in der richtigen Form vorliegt. Dies führt zu verzögertem Wachstum, schwacher Bestockung und letztendlich zu Ertragseinbußen. In Gunstjahren kann dieser Schaden noch abgefedert werden, führt aber eben auch nicht mehr zu Höchsterträgen, in Stressjahren führt es zu deutlichen, manchmal auch zu dramatischen Ernteeinbußen.
Gerade im Wintergetreide ist im Hinblick auf Frühjahrstrockenheit eine hohe Bestockungsleistung notwendig, um zügig geschlossene Bestände zu erreichen.
Dabei zeigen wissenschaftliche Untersuchungen (vgl. „Die Entkopplung der Einflussfaktoren (Genetik, Agronomie, Klima) zeigt die Reaktion der deutschen Winterweizenerträge auf klimatische Veränderungen“, Kage et. al, 2020), dass heutzutage die Bestockungsphase rund eine Woche kürzer ist als noch vor einigen Jahrzehnten.
Die Pflanze hat also zusätzlich noch weniger Zeit Stickstoff aufzunehmen und zu bestocken. Bei angenommenem Vegetationsstart Anfang März und Einsetzen des Langtages (> 12h Tageslänge) Ende März/Anfang April, bleiben nur rund 3-4 Wochen für die Stickstoffaufnahme in der Bestockungsphase. Man möge sich nicht ausmalen, was passiert, wenn in dieser kritischen Phase der Pflanzenentwicklung der ausgebrachte Stickstoff nicht pflanzenverfügbar ist und seine Wirkung dann unkontrolliert im weiteren Vegetationsverlauf entfaltet. Meistens geschieht dies dann sehr spät zusammen mit der einsetzenden Mineralisierung.
Zu gut deutsch: Vorne geht nichts los, riesige Gefahr in trockenen Jahren und in der Mitte und am Ende „ersaufen“ wir im Stickstoff! Es gibt nicht wenige Beispiele, die dieses Jahr mit 16% Rohprotein abgeschlossen haben.
3. Vergleich verschiedener N-Dünger und ihre Wirksamkeit
Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten N-Dünger und ihre Wirksamkeit unter Frühjahrsbedingungen:
Tabelle 2: Wirksamkeit ausgewählter N-Düngemittel unter Frühjahrsbedingungen auf die Bestockungsleistung (alle Zahlen gerundet)
Für die Berechnung haben wir folgende Daten aus der Literatur genutzt:
Pflanzenverfügbarkeit von NO3: sofort
Umwandlungszeiten bei 5 Grad Bodentemperatur:
- NH4 in NO3: 50% in 6 Wochen
- Harnstoff in NH4: 1 Woche
- Ureasehemmer: 1 Woche
- Nitrifikationshemmer: + 6-10 Wochen
Unvermeidbare Verlustraten:
- Harnstoff: 13,1%,
- Harnstoff stabilisiert: 4%
- Harnstoff doppelt stabilisiert: 3%
- Ammonium: 1,5%
Des Weiteren sind wir bei der Berechnung davon ausgegangen, dass die langsam wirkenden Dünger (Harnstoff) bereits am 15. Februar gedüngt werden. Die damit zusätzlich verbundenen Risiken sollen hier nicht diskutiert werden. Die schnellerwirkenden Dünger werden erst am 1. März ausgebracht. Mit jedem Düngemittel werden 60 kg N/ha appliziert.
Obwohl die schnellwirkenden Dünger 2 Wochen später ausgebracht werden, ist ihre Wirkung für die Bestockung um ein Vielfaches höher als die der langsam wirkenden Düngemittel.
Die Zahlen sprechen also eine deutliche Sprache: Um die gleiche Bestockungswirkung wie 60 kg N/ha über KAS zu erzielen, müssten Sie mit 141 kg N/ha stabilisierten Harnstoff mehr als das Doppelte oder bei doppelt stabilisierten N-Formen sogar 200 kg N/ha und damit mehr als dreimal so viel ausbringen (Zeile „Äquivalente“). Gerade in Zeiten mit Einschränkungen durch die Düngeverordnung eine undenkbare Option.
Die meisten Betriebsleiter wissen zwar um diese Problematik, handeln aber trotzdem wider besseren Wissens: Die N-Mengen werden auf 100 – 120 kg N/ha erhöht und nicht zu Vegetationsbeginn Ende Februar oder Anfang März appliziert, sondern bereits Anfang Februar, sobald es die Befahrbarkeit zulässt. In der Hoffnung dadurch zumindest etwas amid- oder ammoniumbetonten Stickstoff zur Wirkung zu bringen. Die Tabelle oben zeigt deutlich, dass ein Vorziehen der ersten Gabe von langsam wirkenden Düngern so gut wie keinen Effekt auf die Pflanzenverfügbarkeit während der Bestockungsphase hat. Das Hauptargument bei der Wahl der N-Form ist dann meist, dass Harnstoff ja viel günstiger sei. Ein fataler und logisch nicht nachvollziehbarer Fehler, wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, Pflanzen optimal zu ernähren und wirtschaftlich optimale Erträge und Qualitäten zu erzielen. Und wer jetzt das Argument ins Feld führt, „aber da wird ja weniger ausgewaschen …“, dem sei gesagt, dass es zwischen Anfang März und Ende Oktober nahezu KEINE AUSWASCHUNG gibt.
4. Zusammenfassung und Handlungsempfehlung
Die Wahl der richtigen N-Form ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die N-Düngung, besonders im zeitigen Frühjahr.
Unsere Empfehlung:
- Für die erste N-Gabe nitrathaltige Dünger einsetzen
- KAS oder KAS+S sind unter Frühjahrsbedingungen am effektivsten
- Die höheren Kosten werden durch die bessere Wirksamkeit mehr als gedeckt
- Bei Verwendung ammonium- oder amidhaltiger Dünger:
- Die Verwendung von langsam wirkenden Düngemitteln in Raps und Getreide können wir nicht empfehlen.













